Herausforderungen, gesetzliche Anforderungen und Best-Practice-Beispiele

Warum barrierefreier Umbau im Bestand zunehmend wichtiger wird

Barrierefreiheit ist ein zentrales Thema der Architektur und Stadtentwicklung – nicht nur in öffentlichen Gebäuden, sondern auch im privaten Wohnungsbau. In einer alternden Gesellschaft, in der immer mehr Menschen mit Mobilitätseinschränkungen leben, gewinnen barrierefreie Wohn- und Lebensräume zunehmend an Bedeutung. Barrierefreie Umbauten im Bestand können dabei helfen, langfristig selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen, Pflegekosten zu senken und die soziale Teilhabe zu stärken.

Während barrierefreies Bauen im Neubau inzwischen gut planbar ist, stellt der Umbau von Bestandsgebäuden Architekten, Eigentümer und Planer häufig vor komplexe Aufgaben. Die baulichen Voraussetzungen sind oft eingeschränkt, der Platz begrenzt, tragende Strukturen lassen sich nur schwer anpassen – und dennoch ist vieles möglich. Mit durchdachten Konzepten, intelligenten Lösungen und den richtigen Förderprogrammen lassen sich auch im Bestand hohe Standards an Barrierefreiheit realisieren.

Fokus auf gesetzliche Grundlagen: Was muss, was sollte?

Barrierefreies Bauen ist gesetzlich verankert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen variieren je nach Nutzung und Bundesland, orientieren sich aber an bundesweit anerkannten Normen und Richtlinien. In Bestandsgebäuden kommt es oft zu Einzelfallentscheidungen, bei denen technische Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden.

Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen:

  • Landesbauordnungen: regeln die Barrierefreiheit insbesondere in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Neubauten.
  • DIN 18040-1: gilt für öffentlich zugängliche Gebäude (z. B. Schulen, Rathäuser, Kultureinrichtungen).
  • DIN 18040-2: gilt für den Wohnungsbau (z. B. schwellenfreier Zugang, Bewegungsflächen in Bädern, Türbreiten).
  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): rechtlicher Rahmen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.
  • KfW-Programme: finanzielle Förderung barrierefreier Umbauten im Bestand, insbesondere über das Programm „Altersgerecht Umbauen“.

In bestehenden Gebäuden wird selten eine vollständige Umsetzung der DIN 18040 verlangt – entscheidend ist, dass durch Maßnahmen die Zugänglichkeit deutlich verbessert wird. Kompensationsmaßnahmen, also funktional gleichwertige Lösungen, sind erlaubt und häufig notwendig.

Typische Herausforderungen beim barrierefreien Umbau

1. Begrenzter Raum und alte Grundrisse

Viele Bestandsgebäude, vor allem Altbauten oder Nachkriegsarchitektur, weisen beengte Raumverhältnisse auf. Flure sind schmal, Bäder klein, Türbreiten entsprechen nicht heutigen Normen. Tragende Wände lassen sich nur eingeschränkt ändern, was die Umgestaltung erschwert.

2. Höhenunterschiede und fehlende Aufzüge

Treppen, Schwellen und Absätze sind häufige Barrieren im Bestand. Gerade mehrgeschossige Gebäude ohne Aufzugzugang stellen für mobilitätseingeschränkte Menschen ein erhebliches Hindernis dar.

3. Technische und gestalterische Einschränkungen

Installationen und Leitungen verlaufen oft auf Putz oder in nicht isolierten Schächten. Ästhetische Konzepte von Altbauten müssen bei Umbauten respektiert und gestalterisch sensibel angepasst werden – insbesondere bei denkmalgeschützten Objekten.

4. Wirtschaftlichkeit

Barrierefreie Umbauten verursachen häufig höhere Baukosten. Fördermittel helfen hier, die Finanzierung zu sichern. Wichtig ist eine genaue Planung und eine frühzeitige Abstimmung mit Förderstellen und Behörden.

Konkrete Maßnahmen für mehr Barrierefreiheit im Bestand

Auch wenn keine vollständige Barrierefreiheit erreicht werden kann, lassen sich durch gezielte Maßnahmen große Verbesserungen erzielen.

Zugang & Erschließung

  • Schwellenlose Übergänge an Eingängen
  • Nachträglicher Einbau von Aufzügen, Plattformliften oder Hubliften
  • Automatische Türantriebe, breitere Türzargen und niedrig angebrachte Klingeln

Sanitärräume & Wohnbereiche

  • Vergrößerung von Bädern für Rollstuhlnutzer (mind. 150 cm Wendemöglichkeit)
  • Einbau bodengleicher Duschen, Haltegriffe und unterfahrbarer Waschtische
  • Nutzung wandhängender Sanitärobjekte zur besseren Bewegungsfreiheit

Orientierung & Sicherheit

  • Kontraste und taktile Leitsysteme zur besseren Orientierung
  • Rutschhemmende Bodenbeläge, blendfreie Beleuchtung, Handläufe an Treppen
  • Visuelle und akustische Signale an Aufzügen und Alarmanlagen

Best-Practice-Beispiele aus der Praxis

Umbau eines Altbau-Mehrfamilienhauses: Ein denkmalgeschütztes Gebäude aus der Gründerzeit wurde schrittweise barrierearm umgebaut. Eine neue barrierefreie Wohnung im Erdgeschoss, eine Rampe am Nebeneingang, eine rollstuhlgerechte WC-Anlage und ein Aufzug im Innenhof erschließen das Haus heute fast vollständig – ohne den Charakter des Gebäudes zu beeinträchtigen.

Sanierung eines kommunalen Kulturzentrums: Trotz enger Raumverhältnisse wurde ein Plattformlift eingebaut, ein rollstuhlgerechtes WC geschaffen und alle Türen mit automatischen Antrieben ausgestattet. Ergänzt durch taktile Leitsysteme entstand ein öffentlicher Ort, der für alle Menschen zugänglich ist.

Fördermöglichkeiten sinnvoll nutzen

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg barrierefreier Umbauten ist die Finanzierung. Die KfW-Förderbank unterstützt private und öffentliche Vorhaben mit verschiedenen Programmen. Auch Landesbanken, Pflegekassen und regionale Fördermittel können genutzt werden. Eine energetische Sanierung lässt sich in vielen Fällen mit barrierefreien Maßnahmen kombinieren und entsprechend gebündelt fördern.

Fazit: Barrierefreiheit als Zukunftsinvestition

Der barrierefreie Umbau von Bestandsgebäuden ist ein wichtiger Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit unserer Städte und Quartiere. Auch wenn die baulichen Voraussetzungen herausfordernd sind, zeigen viele gelungene Projekte, dass mit Know-how, Kreativität und technischer Innovation hohe Standards erreichbar sind – selbst unter denkmalpflegerischen oder räumlich beengten Bedingungen.

Architekten und Planer sollten den barrierefreien Umbau als Chance sehen: zur Steigerung der Lebensqualität, zur Erschließung neuer Nutzergruppen und zur nachhaltigen Aufwertung von Immobilien.